s
Von den vielen bedeutenden Städten der Rheinprovinz können hier
nur noch aufgezählt werden: die Festungen Wesel und Saar-
louis — die bedeutende Fabrikstadt Crefeld — das durch seine
Malerschule und einen schönen Lustw ald (Hofgarten genannt) aus-
gezeichnete Düsseldorf mit 69,000 Einwohnern — die alte Stadt
Trier, Sitz eines katholischen Bischofs, mit 21,000 Einwohnern —
und die Universitätsstadt Bonn dem Siebengebirge gegenüber.
Von den vielen wohlthätigen Anstalten der Rheinprovinz ließe sich
noch viel erzählen, z. B. von der Provinzial-Jrrenanstalt zu
Siegburg am Siebengebirge. Dort werden Menschen, welche das
Unglück hatten, ihren Verstand zu verlieren, in ärztliche Pflege ge-
nommen, um sie durch sanfte und geschickte Behandlung von ihrer Geistes-
krankheit zu heilen, was auch bei sehr vielen gelingt. —
7. Der Dom zu Köln.
Unter den vielen Kirchen der Stadt Köln und überhaupt unter
allen Kirchen Deutschlands ist eine der merkwürdigsten und vorzüglichsten
der herrliche Dom. Der Bau des Domes begann im Jahre 1248
durch den Erzbischof Conrad von Hochsteden. Das große Vermögen
dieses Erzbischofs, so wie der damalige Reichthum der Bewohner Kölns
machte den Beginn eines so großartigen Baues möglich. Auch brachten
die unzähligen Pilger, die aus entfernten Gegenden zur Verehrung der
Reliquien der heil, drei Könige (der Weisen aus dem Morgenlande)
dorthin wallfahrteten, zum Bau des Domes große Schätze zusammen.
Aber die Kosten wurden doch endlich zu groß, so daß der Bau, woran
noch 1599 gearbeitet wurde, dann eingestellt werden mußte, ehe noch
die Hälfte fertig war. Der Dom ist in der Form eines Kreuzes ge-
baut; seine Länge beträgt 125“ und seine Breite 72™. Das Ge-
wölbe wird von hundert Säulen getragen, die in vier Reihen neben
einander stehen und von denen die der mittlern Reihen mehr als 9"
im Umfang haben. Gleich den Bäumen eines uralten Waldes stehen
diese schlanken Säulen da; nur am höchsten Gipfel sind sie in Aste
gespalten, die mit ihren Nachbaren sich zu spitzen Bogen verbinden
und dem Auge, das ihnen folgen will, fast unerreichbar erscheinen.
Die innere Höhe des Domes beträgt 50™. Die beiden Thürme,
deren jeder eine Höhe von 156™ erreichen soll, sind noch unvollendet.
Beide sind bis jetzt erst auf eine Höhe von 50™ gebracht. In
dem auf der Südseite stehenden Thurme hängt die große Dom-
glocke, welche 225 Centner wiegt und von 12 Mann gezogen werden
muß. —
In den neuesten Zeiten ist ein Verein unter dem Namen „Dombau-
Verein" zusammengetreten, um den Ausbau dieses herrlichen Denkmals
alter Baukunst zu bewirken. Zu den Beiträgen der Mitglieder dieses
Vereins zahlt der König von Preußen jährlich eine sv bedeutende
TM Hauptwörter (50): [T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom], T8: [Stadt Rhein Schloß Kreis Mainz Einw. Dorf Main Frankfurt Einwohner], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
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TM Hauptwörter (200): [T105: [Stadt Dom Jahrhundert Zeit Bau Kirche Rhein Baukunst Deutschland Mainz], T0: [Kirche Haus Gebäude Stadt Straße Säule Platz Fenster Seite Palast], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T66: [Stadt Kreis Einw. Berlin Einwohner Schloß Regierungsbezirk Sitz Provinz Düsseldorf], T199: [Universität Berlin Bibliothek Leipzig Schloß München Jahr Museum Schule Gymnasium]]
44
Lehrstand. Zu ihm gehören: die Lehrer in den Volks-,
Bürger- und Gelehrtenschulen oder den Gymnasien, in den
Gewerbeschulen und auf den Hochschulen oder den Universitäten.
In den Volksschulen werden die Kinder vom 6. bis zum 14. Jahre
unterrichtet und erhalten diejenige Bildung, die keinem Menschen fehlen
sollte, um ein nützliches Mitglied in der Familie, in der bürgerlichen
und kirchlichen Gemeinde und im Staate zu werden — eine Bil-
dung, welche für jede höhere die Grundlage enthält. In den
Bürger- oder Realschulen wird diese Bildung für solche gestei-
gert, welche sich den höheren Gewerben, der Kaufmannschaft oder dem
Handel u. s. w. widmen wollen. Die Gymnasien werden von
denjenigen jungen Leuten besucht, die einst Beamte, Richter, Ärzte,
Geistliche u. s. w. werden wollen. Nach ihrer Entlastung von
dem Gymnasium besuchen diese die Universität und bereiten sich
hier für ihren bestimmten Beruf vor; sie heißen dann Studenten,
und ihre Lehrer heißen Professoren. Außer den genannten Unter-
richtsanstalten giebt es noch Seminarien für Geistliche und
Lehrer. Auch die Geistlichen gehören zum Lehrstande, denn sie
unterrichten nicht allein die Jugend in der Religion, sondern verkündigen
von der Kanzel herab, am Krankenbette u. s. w. auch den Erwachsenen
Gottes Wort, und spenden ihnen die Heilsmittel der Kirche. In Schule
und Kirche ist also der Lehrstand unablässig thätig, die Mitglieder des
Staates das Wahre vom Falschen — das Rechte vom Unrechten —
das Gute vom Bösen unterscheiden zu lehren: sie zu unterweisen in
ihren Pflichten gegen sich selbst, gegen ihren Nächsten und gegen
Gott, kurz sie durch Unterricht und Erziehung geistig tüchtig zu
machen, in ihrem Lebensberufe das erkannte Gute überall zu thun
und das Böse überall zu meiden. Dem preußischen Staate gebührt
der Ruhm, seit einer Reihe von Jahren durch Gründung muer Unter-
richtsanstalten, namentlich der Lehrer-Seminarien und durch die
Vermehrung der Volksschulen, so wie durch Einführung eines re-
gelmäßigen Schulbesuchs aller Kinder sehr viel gethan und edle,
menschenwürdige Bildung unter seinen Bewohnern verbreitet zu haben.
Aber trotz Kirche und Schule giebt es leider viele Menschen, die
nicht thun, was recht und gut ist, die gegen die Gesetze han-
deln, und Vergehen und Verbrechen verüben. Solche zu strafen
und unschädlich zu machen, und die guten Bürger in ihrem Leben,
ihrem Eigenthum und ihrer Ehre zu schützen, ist die Sache und die
Pflicht der Obrigkeit. — Ihre Mitglieder heißen im Allgemeinen
Beamte (Staatsbeamte), und diese sind wieder theils poli-
zeiliche, theils richterliche, theils verwaltende. Die Verwal-
tungsbeamten sind die Vorsteher des Staates, der Provinzen,
der Regierungsbezirke, der Kreise, der Gemeinden; sie haben die
bestehenden Gesetze zur Ausführung zu bringen, und über deren Beobach-
tung zu wachen. Die Polizeibeamten haben die Vergehen gegen
das Gesetz anzuzeigen, die Verbrecher zu verhaften und den Gerichten
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Erster Abschnitt.
Das Vaterland — Deutschland
I. Die Staaten Deutschlands.
A. Der preußische Staat.
L Die Gemeinden.
Der Ort, in welchem wir wohnen, ist unser Wohnort. Wohnen
wir in einer Stadt, in einem Dorfe oder einem Weiler? — Die
Bewohner einer Stadt oder eines Dorfes und der dazu gehörenden
Weiler bilden zusammen eine bürgerliche Gemeinde. Die Menschen
haben sich zu Gemeinden vereinigt, um einer dem andern bester hel-
fen, Leistehen und sich so in einem großen Vereine dasjenige ver-
schaffen zu können, was dem einzelnen Menschen und einer einzelnen
Familie nicht möglich wäre. Z. B.? — Gegenseitige Hülfleistung
und Unterstützung ist also der Zweck der Gemeinde. So wie nun
aber in dem kleinsten Vereine, der Familie, der Vater dazu bestimmt
ist, die Angelegenheiten derselben ztt ordnen und zu besorgen, damit es
der Familie wohlergehe, so sind auch in der Gemeinde Personen an-
geordnet, welche dafür zu sorgen haben, daß der Zweck der Gemeinde
um so bester erreicht werde. Diese Personen sind der Bürgermeister
und der Gemeinderath. Der Bürgermeister verwaltet die Ge-
meindeangelegenheiten. Wo viele Menschen nahe zusammen woh-
nen, da muß für gute Ordnung gesorgt und darauf gesehen werden,
daß ein Mensch dem andern an seiner Person oder seinem Eigen-
thum keinen Schaden zufüge, daß keiner die Rechte des andern störe,
und jeder seine Pflicht thue. Hierfür sorgt der Bürgermeister. Er
sieht darauf, daß die Straßen gehörig gereinigt werden, daß jeder Leim
Verkaufe das gehörige Maaß und Gewicht gebrauche, und daß nie-
mand Eßwaaren verkaufe, welche verdorben und der Gesundheit schädlich
sind. Er wacht über die Sicherheit der Person und des Eigen-
thums, oder er handhabt die Polizei. Ein oder mehrere Polizei-
diener, Feldhüter und Nachtswächter sind ihm hierbei behülflich
und stehen unter seinem Befehle.
Alle öffentlichen Gebäude in der Gemeinde: die Kirche, die
Schule, das Rathhaus, das Vrandspritzenhaus, ferner die Ge-
meindewege, Brücken, Brunnen und Pumpen u. s. w. werden
auf Kosten der Gemeinde gebaut und unterhalten, und für die Ver-
pflegung der Armen und Waisen wird gesorgt. Hierzu ist aber
sehr viel Geld erforderlich, und deswegen muß jeder Einwohner der
Gemeinde nach seinem Vermögen Gemeinde» oder Kommunalsteuer
Harsters' Leselul für Obern. Slmunan-Ausgave. 1
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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2
bezahlen. Der Kommunal-Empfänger ist dazu bestimmt, die Ge-
meindesteuer zu empfangen und die Gemeindekasse zu verwalten. Der
Bürgermeister, der Gemeinde-Empfänger, der Polizeidiener
u. s. w. haben ein Amt in der Gemeinde; sie sind Gemeinde-Beamte.
Jeder brave Einwohner der Gemeinde befolgt pünktlich die Anordnungen
der Gemeinde-Obrigkeit. Er bezahlt gerne die ihn treffende Gemeinde-
steuer und ist überall bereit, für das Gemeinwohl nach seinen Kräften
mitzuwirken; denn jeder gute Mensch freut sich darüber, wenn es allen
Gemeindegliedern wohlergeht. — In unserer Gemeinde wohnen_____
Menschen. —
Hat eine bürgerliche Gemeinde eine Kirche, so bildet sie auch
eine kirchliche Gemeinde oder eine Pfarre. Es giebt aber auch
bürgerliche Gemeinden, welche aus mehreren Pfarren bestehen. Die
Kirchengemeinden sind entweder katholische oder evangelische Ge-
meinden; an einigen Orten giebt es aber auch israelitische oder
jüdische Gemeinden, deren Kirchen Synagogen heißen. Jeder
Kirchengemeinde ist ein Pfarrer vorgesetzt. Der Pfarrer ist die
geistliche Obrigkeit in seiner Gemeinde. Er unterrichtet die Kinder
m der Religion, verkündigt Gottes Wort, hält den Gottesdienst,
spendet die Heilsmittel der Kirche, tröstet die Kranken und be-
gleitet die Todten zu ihrer Ruhestätte. — Jede Gemeinde hat gewöhn-
lich auch ihre eigene Schule mit' einem oder mehreren Lehrern. In
der Schule werden die Geisteskräfte der Kinder geweckt und ge-
übt. Durch Unterricht und Erziehung sollen sie hier zu guten
Menschen herangebildet werden. Kinder, welche ihre Jugendzeit gut
anwenden, durch regelmäßigen Schulbesuch, Fleiß und gutes
Betragen ihren Eltern und Lehrern Freude machen, werden der-
einst nichliche Mitgliederder bürgerlichen und kirchlichen Gemeinde.
Die Jugend ist die Zeit der Saat,
Das Alter erntet Früchte,
Wer jung nicht, was er sollte, that,
Deß' Hoffnung wird zunichte. —
Den Fleiß belohnt die Ewigkeit;
Doch die verlor'ne Jugendzeit
Kann Gott nicht wiedergeben.
Wie heisst unser Wohnort? — In welcher bürgerlichen Gemeinde leben
wir? — In welcher kirchlichen Gemeinde? — Wer ist die Obrigkeit in der
bürgerlichen Gemeinde? — In der kirchlichen? — Welche Pflichten haben
wir gegen die Gemeinde-Obrigkeit? — Welche gegen die geistliche
Obrigkeit? — Was wisst ihr von der Entstehung unseres Wohnortes?
— Nennt die bedeutendsten Gebäude unseres Wohnortes! — Gebt an, nach
welcher Himmelsrichtung sie von unserer Schule liegen! — Wie führt die
Strasse an unserer Schule vorbei? — Von — nach! — Gebt die Richtung
der übrigen Strassen unseres Wohnortes an!
Zeichnet jetzt unsere Schule und die Haup tgebäude unseres Wohn-
ortes mit ! 1. die Strassen aber mit Linien auf eure Schiefertafeln! —
Schreibet auf, wie diese Gebäude von unserer Schule liegen und nach
weichen Bichtungen die Strassen führen t —
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg]]
TM Hauptwörter (100): [T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung]]
TM Hauptwörter (200): [T194: [Kirche Kloster Schule geistliche Gottesdienst Gemeinde Geistliche Leben Staat Priester], T5: [Jahr Recht Person Gemeinde Staat Steuer Familie Kind Lebensjahr Vermögen], T106: [Kloster Jahr Schule Mönch Kirche Kind kranke Frau arme Knabe], T47: [Karte Lage Länge Breite Größe Meile Linie Ort Grenze Höhe], T99: [Stadt Verwaltung Provinz Gemeinde Beamter Kreis König Spitze Land Angelegenheit]]
264
behülflich zu sein, um die Sterbenden zu trösten, um für Beide Briefe
in die Heimath zu schreiben und viele andere Dienste zu leisten. Das
ist das stille Heer des Friedens auf dem Schlachtfelde, kenntlich
durch eine weiße Armbinde mit einem rothen Kreuz.
Sobald von Frankreich uns der Krieg erklärt war, rüstete sich
dieses stille Heer zu seinen Liebeswerken, allen voran die Johanniter
und Maltheser. Diese Orden sind Verbindungen von Männern, die
es schon in alten Zeiten für ihre Aufgabe hielten, Kranke zu bedienen
und zu verpflegen und zu diesem Zwecke Krankenhäuser zu errichten, die
sie theils selbst bedienten, theils leiteten*). Wie im schleswig-holstein-
schen und im böhmischen Feldzug, so wollten sie auch in diesem Kriege
ihre Hülfe den Kranken und Verwundeten zuwenden. Gleich beim Be-
ginn desselben meldeten sich mehrere hundert von ihnen zum Dienste
im Felde, und über 1000 Betten wurden in ihren Krankenhäusern für
die Verwundeten bereit gestellt. Diese Männer, theils ausgebildete
Krankenpfleger, theils junge Leute aus verschiedenen Ständen: Stu-
denten, Lehrer, Kaufleute, Handwerker, zogen nach einer kurzen Vor-
bereitung in einem Krankenhause und Unterweisung in der Verband-
lehre mit der Armee hinaus, um den im Kampfe verwundeten und ermat-
teten Soldaten Samariterdienste zu erweisen durch Pflege des Leibes und
Trost des bekümmerten Herzens. — Dazu kamen Hunderte von Feld-
diakonen, von Diakonissinnen und barmherzigen Schwestern,
die ebenfalls auf den Schlachtfeldern, besonders aber in den Laza-
rethen, die Verwundeten und Kranken bedienen und pflegen wollten.
Aber auch die ruhigen Friedensleute in der Heimath, die nicht mit
hinausziehen konnten, besonders die Frauen, regten ihre Hände, die
Noth des Krieges zu lindern. Am 18. Juli hatte die Königin August«
von Preußen, die Beschützerin des „vaterländischen Frauen-
vereins", folgenden Aufruf erlassen:
„Das Vaterland erwartet, daß alle Frauen bereit sind, ihre Pflicht
zu thun! Hülfe zunächst an den Rhein zu senden."
Am folgenden Tage forderte die Kronprinzessin Viktoria den Vor-
stand der unter ihrem Schutze stehenden „Jnvalidenstiftung" auf,
Sammlungen von Liebesgaben zu veranstalten, um damit die Tausende
von Frauen und Kindern, die während des Krieges ihrer Ernährer
beraubt sind, vor äußerer Noth zu bewahren. „Möge freie Liebes-
thätigkeit sich vereinen" — sagte die Kronprinzessin —, „um die An-
gehörigen derjenigen vor Entbehrung zu schützen, welche Gesundheit
und Leben für uns hinzugeben bereit sind."
Allenthalben traten sofort zahllose Vereine ins Leben, welche Gaben
sammelten für die zurückgebliebenen Familien einberufener Soldaten
und für die im Felde verwundeten und erkrankten Krieger. Alle Städte
Deutschlands wetteiferten mit einander — überall die Frauen voran.
Da saßen um den Familientisch neben der Mutter Mädchen vom zartesten
Alter bis zur Jungfrau und zupften Charpie; die älteren Tochter
""ft Siehe Ii. Asschti.'Iv. Seite 447.
TM Hauptwörter (50): [T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
TM Hauptwörter (100): [T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T59: [Heer Mann Soldat Krieg Jahr Offizier Land König Truppe Waffe], T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund]]
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Extrahierte Personennamen: Viktoria
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Rhein Deutschlands
i\t es, ihn nicht selbst pflegen zu können, wenn die schweren Wunden
seinen Transport in die Heimath unmöglich machen!
Bei dieser wehmüthigen Klage war es ein schöner Trost, zu wisten,
daß draußen auch für die Verwundeten und Todten gesorgt wird, daß
sie vom Kampfplatz aufgehoben, verbunden und gepflegt werden, ja
daß es den Sterbenden auch an liebevollem geistlichen Trost nicht fehlt,
daß die Todten — soweit es möglich — nach christlichem Gebrauch
begraben werden. Denn wo das bewaffnete Heer eine Schlacht ge-
schlagen hat, da ist auch das unbewaffnete, das stille Heer auf dem
Kampfplatze zu seiner Liebesarbeit gerüstet.
Die Schlacht hat begonnen! Die Erde erbebt unter dem Brüllen
des Kanonendonners. Dazwischen knattern die Flintensalven und das
Mitrailleusenfeuer. Pulverdampf hüllt die Kämpfer ein. Blitze, welche
dem Schusse vorhergehen, leuchten dazwischen. Hier und da — abseits
vom Kampfplatz — hat man den Verbandplatz errichtet; ringsherum
stehen bewegliche Feldlazarethe, „ in denen Leinenzeug und die
ärztlichen Instrumente liegen. Über ihnen weht die weiße Fahne
mit dem rothen Kreuz. Ärzte, Feldgeistliche, militärische
Krankenträger, freiwillige Krankenträger und-Pfleger: Jo-
hanniter, Maltheser, Diakonen, Diakonissinnen und barm-
herzige Schwestern stehen dabei, bereit, die Verwundeten aus dem
Gefecht zu holen, sie zu verbinden und zu erquicken. Von dem Ver-
bandplätze werden die Verwundeten in bereitstehenden Wagen langsam
weggefahren, dem nächsten Lazarethe zu.
Der Kampf ist zu Ende! Auf den weiten fruchtbaren Ebenen,
wo einst das Getreide goldig wogte, herrscht die Zerstörung. Ein ödes
Schweigen, nur durch das Stöhnen der Verwundeten und Sterbenden
unterbrochen, lagert über dem Schlachtfelde, dessen Blutlachen überall
einen röthlichen Schein verbreiten. Hat der Kampf um ein Dorf herum
oder in demselben gewüthet, so liegen die Verwundeten und Todten in
den Gärten oder auf der Straße. Da ist es wiederum die Arbeit
des stillen Heeres, sie zusammenzutragen, sie in überdeckte Räume zu
schaffen, auf Stroh zu betten und dann den Ärzten zur weiteren Be-
handlung zu überlassen.
Unversehrt gebliebene Häuser und Scheunen, Schulgebäude und
Kirchen sind überfüllt mit Verwundeten, ja auf den Straßen und
freien Plätzen liegen dieselben in langen Reihen neben einander —
fortwährend kommen noch leichter Verwundete nachgehinkt, mit immer
neuen Lasten kehren die Wagen zurück — es scheint gar kein Ende
nehmen zu wollen.
Anerkennung, Ehre und Dank sei all den wackern Männern,
Jünglingen, Frauen und Jungfrauen dargebracht, welche hier
auf den Schlachtfeldern und in den Lazarethen mit eigener Lebensgefahr
Tag und Nacht unermüdlich thätig waren, den Verwundeten und Ster-
benden Samariterdienste zu erweisen! Anerkennung, Ehre und Dank
aber auck all den Vereinen in der Heimath, in Stadt und Land, welche
Haester»' Lesebuch für Oberkl. Simultan-Ausg. 18
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T59: [Heer Mann Soldat Krieg Jahr Offizier Land König Truppe Waffe], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche]]
TM Hauptwörter (200): [T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T156: [Schlacht Sieg Feind Heer König Mann Kampf Tag Tapferkeit Franzose], T155: [Soldat Krieg Heer Land Mann Truppe König Waffe Geld Feind], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T106: [Kloster Jahr Schule Mönch Kirche Kind kranke Frau arme Knabe]]
446
22. Das Rltterthum Lrn Mittelalter.
Anfänglich bestanden die Heere der Deutschen und der meisten übrigen
Völker Europas größtenteils aus Fußgängern. Die wenigen Neiter
trugen Helme und Panzer, ihre Waffen waren Lanzen und furcht-
bare Schwerter. Wegen dieser kostspieligen Rüstung konnten aber
nur die Reichen und Vornehmen zu Pferde dienen. Darum gab
der Reiterdienst eine Art von Ansehen und Adel. Um einen sol-
chen Vorzug zu erhalten und zu vermehren, war das ganze Leben des
Adels kriegerisch von Jugend auf. Körperliche Kraft und Ge-
wandtheit ging ihm über alles; von Jugend auf lernte der Adelige
ein wildes Roß tummeln und Lanze und Schwert mit Gewandt-
heit führen. Kein leichter Fußgänger konnte sich mit einem geübten
Reiter messen, der vom Kopfe bis zu den Füßen mit Eisen bedeckt
war. So machten in den damaligen Zeiten die Adeligen die vor-
nehmsten Krieger aus, und von ihrem Neiterdienst erhielten sie den
Namen Ritter. — Mit der Zeit bildeten die Ritter einen besonderen
Stand. Religion, Ehre, Tapferkeit und Hochachtung gegen das
weibliche Geschlecht waren die vier Haupttugenden der Mitglieder.
Zur Zeit der Kreuzzüge stand das Ritterthum in seiner schön-
sten Blüthe. Es bildeten sich, gleich den Mönchsorden, drei engere
Verbrüderungen der Ritter unter einander. Das waren die Orden
der Johanniter, der Tempelherrn und der Deutschen. Schon im
Jahre 1048 hatten Kaufleute aus Amalfi (in Unteritalten) in der
Nähe des heil. Grabes ein Kloster bauen lassen zur unentgeltlichen Auf-
nahme und Verpflegung armer und kranker Pilger. Als Gottfried
von Bouillon 1099 nach Eroberung der heil. Stadt dieses Spital
besuchte, wurde er von der hingebenden Treue der Mönche, die hier
ihr Leben der Krankenpflege widmeten, so gerührt, daß er der Stiftung
eines seiner Güter in Brabant zum Geschenk machte. Nun traten
einige Ritter seines Gefolges in das Kloster als dienende Brüder ein,
entsagten der Welt, verpflichteten sich zu den gewöhnlichen Kloster-
gelübden des Gehorsams, der Ehelosigkeit und der Armuth,
und bezeichneten ihre schwarze Ordenstracht mit einem achtspitzigen,
weißen Kreuze. Schnell verbreitete die Dankbarkeit heimkehrender
Pilger, die bei ihnen Aufnahme und Verpflegung gefunden hatten, ihren
Ruhm durch ganz Europa, und in allen Ländern wetteiferte die Mild-
thätigkeit der Frommen, durch reiche Gaben sich einen Antheil an diesem
Verdienste zu erwerben. Jetzt erhoben sich statt des armseligen Obdachs,
das die Brüder bisher zur Aufnahme bieten konnten, Paläste, und da-
neben wurde ein prächtiger Tempel zu Ehren des heil. Johannes des
Täufers erbaut, und die Brüderschaft führte von nun an den Namen
Johanniterordrn. — Ihre Güter mehrten sich bald in allen europäischen
Ländern, und sie selbst schlugen sich lange heldenmüthig mit den Türken
herum, bis auch sie der Übermacht weichen mußten. Sie ließen sich dann
auf der Insel Cypern nieder, und als sie auch hier vertrieben wurden, auf
der Insel Rhodus. Als sie aber endlich auch hier keine bleibende Stätte
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg]]
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TM Hauptwörter (200): [T4: [Orden Ritter Peter Kreuzzug Land Jahr Jerusalem Johanniter Arnold Frankreich], T112: [Schwert Ritter Schild Waffe Lanze Pferd Speer Hand Helm Pfeil], T106: [Kloster Jahr Schule Mönch Kirche Kind kranke Frau arme Knabe], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T155: [Soldat Krieg Heer Land Mann Truppe König Waffe Geld Feind]]
Extrahierte Personennamen: Gottfried
von_Bouillon Johannes
Extrahierte Ortsnamen: Europas Amalfi Brabant Europa Rhodus
447
mehr fanden, schenkte ihnen im Jahre 1530 der deutsche Kaiser Karl V. die
Insel Malta, und von jener Zeit an hießen sie auch Maltheserrilter. —
Der König Balduin von Jerusalem schenkte im Jahre 1118 acht
französischen Rittern, die sich heldenmüthig der armen Pilger
außerhalb der Hauptstadt gegen die Angriffe der räuberischen Horden
angenommen hatten, den Platz, wo einst der Tempel Salomo's stand
Hier Lauten sie sich an und erhielten davon den Namen Tempelherrn.
Sie trugen ein rothes Kreuz auf ihrem weißen Mantel. Un-
gewöhnlich schnell stieg das Ansehen dieses Ordens, der größtentheils
aus Franzosen bestand, und er gewann durch reiche Mitglieder und
fromme Vermächtnisse einen Reichthum, der bald jenen der Johanniter
überstieg. Aber dieser Reichthum reizte den habsüchtigen französischen
König Philipp Iv. zum Verderben dieses Ordens. Er klagte die Mit-
glieder der gröbsten Verbrechen an; sie wurden unschuldig mißhandelt, ein-
gemauert, lebendig verbrannt, und der ganze Orden wurde im Jahre 1312
aufgehoben, seine Güter aber zum Vortheile des Königs eingezogen. —
Auch der deutsche Ritterorden hat den Kreuzzügen seine Ent-
stehung zu verdanken. Er wurde im Jahre 1190 von Deutschen
gegründet. Die Mitglieder mußten Deutsche sein. Auch sie legten,
wie die vorgenannten Orden, das dreifache Gelübde ab, und hatten
im Ganzen denselben Zweck und dieselbe Einrichtung. Ihre Ordens-
tracht war ein weißer Mantel mit einem schwarzen Kreuze. Nach
dem Verluste des heil. Landes wandten sie sich nach Venedig. Von da
wurden sie unter ihrem Großmeister Hermann von Salza im Jahre
1229 von den Polen gegen die Preußen zu Hülfe gerufen. Drei-
undfünfzig Jahre lang (von 1230 bis 1283) führten sie mit diesem heid-
nischen Volke schwere Kriege. Endlich eroberten sie das Land und verbreiteten
darin das Christenthum und deutsche Bildung, Sitte und Sprache.
Durch sie entstanden die Städte Thorn und Kulm, später Memel
und Königsberg. Marienburg wurde im Jahre 1309 die Residenz
des Hochmeisters. Im 16. Jahrhundert (1525) nahm der Hoch-
meister des Ordens, Markgraf Albrecht von Brandenburg, mit den
meisten Ordensgliedem die evangelische Religion an. Die Übrigen zogen
nach dem Städtchen Mergentheim im Würtembergischen. Im Jahre
1815 wurde der Orden durch den Wiener Vertrag aufgehoben. —
23. Die Dichtkunst im Mittelalter.
Sobald der Mensch der Sorge für die nöthigsten Bedürfnisse des Lebens
überhoben ist, so erwacht auch allmählich sein natürliches Gefühl für das Schöne,
sein Gefallen an höheren, geistigen Verrichtungen, die das Leben erheitern und
veredeln. Unter diesen stand im Mittelal-ter die Dichtkunst oben an und
wurde vorzüglich vom Adel gepstegt. Sie war ihm eine süße Erholung von den
ernsten Sorgen des Tages, von dem wilden Getümmel der Schlachten. Auf die
Entwicklung dieser schönen Kunst hatten die Kreuzzüge den wirksamsten Einstuß.
In dem fernen Morgenlande wurde der Kreuzfahrer durch die seltsamsten Erschei-
nungen wunderbar überrascht. Die heiligen Orte, wo einst der Erlöser wandelte, die
Pracht und der Reichthum des Orients, die wunderbaren Irrfahrten frommer
Pilger, die vielen Abenteuer der Ritter, dann auch die Sehnsucht nach den theuern
Zurückgebliebenen — dieses und manches andere regte mächtig den Geist auf und bot
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T78: [Polen Rußland Preußen Land Orden Russe Stadt Reich Warschau Weichsel], T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T67: [Kaiser Türke König Jahr Ungarn Heer Land Friedrich Kreuzzug Jerusalem], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T57: [Orden Polen Preußen Land Hochmeister Ritter Marienburg Stadt deutsch Jahr], T4: [Orden Ritter Peter Kreuzzug Land Jahr Jerusalem Johanniter Arnold Frankreich], T165: [Kunst Wissenschaft Handel Gewerbe Bildung Land Stadt Schule Zeit Volk], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch]]
Extrahierte Personennamen: Karl_V. Karl_V. Balduin_von_Jerusalem Philipp_Iv Philipp Hermann_von_Salza Albrecht_von_Brandenburg Albrecht
Extrahierte Ortsnamen: Malta Venedig Kulm Königsberg Marienburg Städtchen_Mergentheim Würtembergischen
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zu den Dichtungen den reichhaltigsten Stoff. Wahre Begebenheiten wußte die
aufgeregte Einbildungskraft mit reizenden Märchen aller Art auszuschmüaen,
In den anmuthigen Thälern des südlichen Frankreichs und Spaniens,
wo die Einbildungskraft der Bewohner feurig ist, wie der Himmel, unter wel-
chem sie leben, trieb die Dichtkunst ihre höchsten Blüthen. Auf den Burgen der
Ritter, bei fröhlichen Festen und Mahlen erschien der Troubadour mit der lieb-
lich klingenden Harfe in der Hand, Ritter und Damen begrüßten mit stiller
Freude den lieben Gast und hörten seinen gefühlvollen Gesängen zum Klange der
Harfe zu. Von Frankreich aus verbreitete sich dieses lustige Handwerk — so
nannte man es — über die angrenzenden Staaten. Auch Deutschland hatte
seine Troubadours, die man hier Minnesänger nannte, weil der Haupt-
gegenstand ihres Gesanges die Minne oder Liebe war. Hunderte von solchen
Dichtern werden genannt. Ihre Reihe beginnt mit Heinrich von Veldeck,
ihm folgten Hartmann von der Aue, der zartfühlende Gottfried von
Straßburg, der ernste und trübe Wolfram von Eschenbach, der heitere
Walter von der Vogelweide, der große Meister Heinrich von Of-
erdingen, sämmtlich aus dem Anfange des dreizehnten Jahrhunderts.
Oft kamen diese liederreichen Sänger zusammen zu einem poetischen Wettstreite.
Doch nicht die Liebe allein war der Gegenstand ihres Gesanges, sondern auch
die Schönheiten der Natur, die Reize des Frühlings, die Heldenthaten der
Ritter und ihre wunderbaren Abenteuer. Besonders in Schwaben, an den
Höfen der damaligen Kaiser, der kunstliebenden Hohenstaufen, ließen sich diese
Sänger hören und wurden deshalb auch wohl schwäbische Dichter genannt.
Selbst Kaiser und Könige ergötzten sich, wenn sie von den ernsten Sorgen der
Regierung ruheten, an diesem lustigen Handwerke. Unter dem Kaiser Friedrich Ii.
erstieg die vaterländische Dichtkunst den höchsten Grad der Begeisterung, indem
sie als Lteblingsunterhaltung deutscher Fürsten und als die vorzüglichste Würze
gesellschaftlicher Freuden galt.
Schon tm Anfangendes vierzehnten Jahrhunderts verbreiteten sich
Dichtkunst und Gesang von den Burgen der Ritter auch in die Städte. Die
Bürger fanden Vergnügen daran, in Erholungsstunden die schönen Lieder und
Erzählungen der Minnesänger zu lesen. Manche, die in sich einiges Talent fühl-
ten, ahmten ihnen nach und fingen in Nebenstunden an, ffeißtg zu dichten. Bald
bildeten sie gleich anderen Handwerken eine besondere Zunft unter sich und wur-
den, weil sie Meister ihres Handwerks waren, Meistcrsänger genannt. Sie hiel-
ten, wie andere Zünfte, regelmäßige Zusammenkünfte auf ihrer Herberge oder
Zeche. Die öffentlichen Singschulen oder Wettstreite aber wurden in den Kirchen,
Nachmittags an Sonn- und Festtagen gehalten. Es wurden hier durch vier
Merker, d. i. Zunftvorsteher, biblische Gesänge gewählt, beurtheilt und dem,
welcher am glättesten, d. i. am fehlerfreiesten gesungen hatte, öffentlich der Preis
ertheilt. Dieser bestand aus einem Gehänge mit Münzen; auf einer war der
König David mit der Harfe abgebildet. Der Sieger hieß deshalb auch König-
Davids-Gewinner. Zu Mainz, Nürnberg, Straßburg, Augsburg,
überhaupt in den süddeutschen freien Reichsstädten bestanden mehrere Jahrhunderte
hindurch solche Singschulen der Meistergenossenschaften. Einer der merkwürdigsten
Meistersänger war Hans Sachs, ein ehrsamer Schuster zu Nürnberg, der um
das Jahr 1555 lebte. Er schrieb 6048 geistliche und weltliche Gedichte, von
denen aber kaum der vierte Theil auf uns gekommen ist.
24. Die Baukunst des Mittelalters.
Anfangs ging die Kirchenbaukunst von den Römern und By-
zantinern aus. Seit den Kreuzzügen aber und unter den Hohen-
staufen bildeten die Deutschen einen ganz neuen Baustyl aus, welcher
oen byzantinischen noch weit an Erhabenheit und Schönheit übertraf,
indem man die Kirchen größer, die Thürme höher baute, alles Schwer-
fällige fallen ließ und statt der Rundbogen die Spitzbogen einführte.
TM Hauptwörter (50): [T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche]]
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_von_Veldeck Heinrich Hartmann Gottfried_von
Straßburg Wolfram_von_Eschenbach Heinrich_von_Of- Heinrich Friedrich_Ii Friedrich David David Hans_Sachs
Extrahierte Ortsnamen: Frankreichs Spaniens Frankreich Deutschland Schwaben Mainz Nürnberg Straßburg Augsburg
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Man nannte diese ganz neue und echt deutsche Baukunst die gothische»
Sie wurde von einer großen, bürgerlichen Zunft gepflegt. Früher hatte
jedes Kloster seine Werkmönche, Baumeister, Bildhauer, Maler, Musiker;
im dreizehnten Jahrhundert aber entstand in den Städten die
große Zunft der Maurer und Steinmetzen. Ihr Geheimniß blieb der
Zunft erblich, und sie genoß daher große Vorrechte. Im oberen Deutsch-
land, z. B. in Ulm, hatte diese Zunft sogar eine Zeit lang das
Stadtregiment, woraus sich das Vorkommen so vieler Prachtkirchen in
den Städten mit erklärt. Sie sind alle in einem Geiste, nach einem
durchgreifenden Gesetze gebaut. Noch stehen die erhabenen Dome und
geben Zeugniß von diesem Geiste, oen wir in wenigen Zügen deuten wollen.
Die Gebäude mußten erhaben in der Masse sein, das Auge zur
Bewunderung hinreißen, das Herz zum Großen stimmen; denn groß
und erhaben ist die Gottheit, die im Tempel verehrt wird. Die Ge-
bäude mußten alles Schwerfällige vermeiden, alle Mühseligkeit der Ar-
beit verbergen und leicht, natürlich wie die Pflanze, von einem innern
Lebenstrieb hervorgedräugt, aus dem Boden zu wachsen scheinen; denn
der Glaube an die Gottheit ist nichts Erzwungenes, Drückendes, sondern
das Freieste und Natürlichste, wie das Erhabenste. Der Bau mußte
nach der Höhe streben, alle Säulen, Pfeiler und Thürine, wie Pflanzen
und Bäume, hervorwachsen ans Licht; denn der Glaube strebt dem Him-
mel zu. Der Altar mußte gegen Morgen stehen; denn von Morgen
kam der Heiland! Endlich mußte die Erhabenheit des Ganzen in die
reichsten und lieblichsten Verzierungen sich verbergen, die starre Linie in
tausend zierlichen Windungen und Stufen, wie der Lichtstrahl in Farben,
sich brechen, die Masse nur aus unermeßlich vielen, für sich lebendig
scheinenden Steingewächsen sich aufbauen; denn die Gottheit verbirgt
sich in der Welt und Natur und ist nicht getrennt von der lieblichen
Mannigfaltigkeit der Dinge. Durch alle diese Verzierungen geht aber
wieder eine Grundform durch, worin der Geist des Ganzen je wieder
im Kleinen ausgesprochen ist. Diese Form ist die Rose in Fenstern,
Thüren, Bögen, Säulenverzierungen und, von ihr getragen oder zu ihr
ausblühend, das Kreuz. Die Rose bezeichnet hier immer die Welt, das
Leben, das Kreuz den Glauben und die Gottheit. Ein Kreuz in der
Rundung der Rose war das allgemeine Zeichen der Gottheit im Mittelalter.
An den Bauten erschöpften Jahrhunderte ihren Fleiß. Was eines
Mannes kühner Geist ausgedacht, vermochten erst späte Geschlechter zu
vollenden; denn der lebenslängliche Fleiß von tausend und aber tausend
kunstbegabten Händen war erforderlich, um das rohe Gestein nach dem
Riesengedanken zu zwingen. Doch in treuer Entsagung eigener Ver-
besserungssucht arbeiteten gleich große Meister im Sinne und Geiste
nach dem Plane des ersteren fort, und jeder war stolz auf das Werk,
nicht auf den Namen, also daß uns fast alle diese Meister, die Er-
finder wie die Vollender, völlig unbekannt geblieben sind. Das größte
dieser Wunderstücke ist der Dom von Köln. Er ward angeleg:
Hassters' Lesebuch für Oberkl. Sinmltan-Ausgabs. Jh
TM Hauptwörter (50): [T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T13: [Kirche Dom Zeit Bau Denkmal Kunst Tempel Bild Werk Stadt], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke], T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche]]
TM Hauptwörter (200): [T0: [Kirche Haus Gebäude Stadt Straße Säule Platz Fenster Seite Palast], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T154: [Meister Handwerker Geselle Arbeit Lehrling Handwerk Arbeiter Jahr Kaufleute Stadt], T179: [Gott Mensch Wort Welt Erde Glaube Herr Sünde Himmel Satz]]